
Nun ist er raus: unser zweiter Einspruch gegen die Entgegnung des Regionalverbands Allgäu Oberschwaben auf unseren ersten Einspruch. Wie schon beim ersten Einspruch haben wir den Zweiten auch über einen anerkannten Naturschutzverband eingereicht, damit wir im Ernstfall gegen die Vorranggebiete für Windkraftanlagen um das Wurzacher Becken klagen können.
Stellungnahme zur Entgegnung des Regionalverbands Allgäu Oberschwaben
Die Entgegnung des Regionalverbands auf die Einsprüche gegen die geplanten Vorranggebiete für Windkraftanlagen weist mehrere Schwachstellen auf, die aus rechtlicher und naturschutzfachlicher Sicht einer kritischen Betrachtung bedürfen.
1. Bezug zum Europadiplom des Wurzacher Rieds
Der Regionalverband argumentiert, dass die geplanten Vorranggebiete für Windenergie nicht gegen das Europadiplom des Wurzacher Rieds verstoßen. Diese Aussage ist jedoch nicht hinreichend begründet. Das Europadiplom der Kategorie A dient dem Schutz von Gebieten mit repräsentativen biologischen und geologischen Elementen. Es stellt hohe Anforderungen an den Erhalt der ökologischen Integrität und die Vermeidung von negativen Einflüssen auf das Gebiet. Die geplanten Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe könnten durch Lärm, Schattenwurf und visuelle Beeinträchtigungen erhebliche Auswirkungen auf die empfindlichen Ökosysteme des Rieds haben.
Die Stellungnahme des Umweltministeriums Baden-Württemberg, auf die sich der Regionalverband beruft, sollte detailliert geprüft werden. Es ist zu hinterfragen, ob diese Stellungnahme eine umfassende naturschutzrechtliche Bewertung enthält und ob sie die spezifischen Schutzanforderungen des Europadiploms ausreichend berücksichtigt.
2. Konflikt zwischen Windkraftnutzung und Naturschutz
Die Entgegnung des Regionalverbands ignoriert weitgehend die Zielkonflikte zwischen der Windkraftnutzung und den Belangen des Naturschutzes. Nach § 35 Abs. 3 BauGB dürfen privilegierte Vorhaben im Außenbereich nur dann verwirklicht werden, wenn keine überwiegenden öffentlichen Belange entgegenstehen. Der Artenschutz, insbesondere der Schutz von Vogelarten gemäß der Vogelschutzrichtlinie (2009/147/EG), ist ein solcher Belang. Die pauschale Bevorzugung der Windkraft durch nationale Regelungen wie § 45b BNatSchG könnte unionsrechtswidrig sein, da sie eine differenzierte Abwägung zwischen Artenschutz und Windkraftnutzung verhindert.
Es ist zu betonen, dass die Errichtung von Windkraftanlagen in oder nahe Schutzgebieten eine detaillierte Prüfung der Auswirkungen auf geschützte Arten und Lebensräume erfordert. Die Ausnahmevorschriften in § 45b BNatSchG dürfen nicht dazu führen, dass dieser Schutz faktisch ausgehebelt wird.
3. Oberflächliche Raumplanung
Die Fristsetzung durch das Klimagesetz Baden-Württemberg bis zum 30. September 2025 übt erheblichen Zeitdruck auf die Regionalverbände aus und führt zu einer oberflächlichen Planung. Dies zeigt sich auch in der vorliegenden Entgegnung, die keine ausreichende Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Belange erkennen lässt. Eine nachhaltige Raumplanung muss sicherstellen, dass alle relevanten Interessen – insbesondere solche des Naturschutzes – umfassend geprüft werden.
4. Rechtliche Bedenken
Die Argumentation des Regionalverbands stützt sich auf nationale Regelungen wie das Wind-an-Land-Gesetz (WindBG) und § 45b BNatSchG, welche den Ausbau der Windenergie als „überragendes öffentliches Interesse“ deklarieren. Diese Regelungen stehen jedoch im Widerspruch zu europäischen Vorgaben wie der Vogelschutzrichtlinie und könnten unionsrechtswidrig sein. Der Begriff „öffentliche Sicherheit“, wie ihn § 45b BNatSchG verwendet, darf nicht einseitig national definiert werden, sondern muss im unionsrechtlichen Sinne ausgelegt werden (vgl. EuGH-Urteile C-284/16 und C-483/17).
Fazit
Die Entgegnung des Regionalverbands Allgäu Oberschwaben zeigt erhebliche Defizite in der Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Belange sowie in der rechtlichen Argumentation. Es ist dringend erforderlich, eine umfassende Prüfung der Auswirkungen auf das Wurzacher Ried und andere betroffene Schutzgebiete vorzunehmen sowie sicherzustellen, dass europäische Vorgaben eingehalten werden. Die pauschale Bevorzugung der Windkraft ohne ausreichende Berücksichtigung des Naturschutzes widerspricht sowohl nationalem als auch europäischem Recht und gefährdet die ökologischen Grundlagen der Region.
Rechtliche Argumente gegen die Vorranggebiete für Windkraft
Die geplanten Vorranggebiete für Windkraftanlagen können aus rechtlicher Sicht unter mehreren Gesichtspunkten angegriffen werden:
1. Verletzung des Europadiploms des Wurzacher Rieds
Das Wurzacher Ried ist ein Gebiet, das mit dem Europadiplom der Kategorie A ausgezeichnet wurde. Dieses Diplom verpflichtet dazu, die ökologischen und geologischen Eigenschaften des Gebiets zu schützen. Die geplanten Windkraftanlagen könnten durch Lärm, Schattenwurf und visuelle Beeinträchtigungen negative Auswirkungen auf die empfindlichen Ökosysteme des Rieds haben. Die Stellungnahme des Umweltministeriums Baden-Württemberg, die diese Konflikte scheinbar ausschließt, sollte hinterfragt werden, da sie möglicherweise keine umfassende naturschutzrechtliche Prüfung enthält.
2. Konflikt mit der Vogelschutzrichtlinie
Die Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG der Europäischen Union verpflichtet Deutschland zur Erhaltung und Wiederherstellung von Lebensräumen für wildlebende Vogelarten. Die Regelungen in § 45b BNatSchG, welche Windkraftanlagen pauschal als „überragendes öffentliches Interesse“ definieren, könnten unionsrechtswidrig sein, da sie eine differenzierte Einzelfallprüfung zwischen Artenschutz und Windkraftnutzung verhindern. Der Betrieb von Windkraftanlagen darf nicht automatisch als „öffentliche Sicherheit“ eingestuft werden, da dies eine autonome unionsrechtliche Auslegung erfordert und nicht einseitig national definiert werden kann.
3. Missachtung von Naturschutz- und Artenschutzprüfungen
Die neuen Regelungen in § 45b BNatSchG und § 249 BauGB schränken den Naturschutz erheblich ein und führen dazu, dass Artenschutzprüfungen faktisch nicht mehr stattfinden. Dies verstößt gegen nationale und europäische Vorgaben, insbesondere gegen Art. 20a GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) und die Vogelschutzrichtlinie.
4. Oberflächliche Raumplanung
Das Klimagesetz Baden-Württemberg setzt eine Frist bis zum 30. September 2025 für die Fortschreibung regionaler Planungen, was erheblichen Zeitdruck auf die Regionalverbände ausübt und zu einer oberflächlichen Planung führt. Dadurch können entgegenstehende Belange wie Naturschutz oder Landschaftsschutz nicht ausreichend berücksichtigt werden. Diese Fristsetzung ist rechtlich fragwürdig, da der Bundesgesetzgeber im WindBG eine längere Frist bis Ende 2027 vorgesehen hat.
5. Rechtswidrigkeit der „überragendes öffentliches Interesse“-Klausel
Die Einstufung von Windkraftanlagen als „überragendes öffentliches Interesse“ gemäß § 45b BNatSchG könnte gegen europäisches Recht verstoßen, da sie eine einseitige Bevorzugung der Windkraft ohne hinreichende Abwägung mit anderen öffentlichen Belangen ermöglicht. Eine solche Regelung ignoriert unionsrechtliche Vorgaben zur Einzelfallprüfung und könnte vor europäischen Gerichten angefochten werden.
6. Zielkonflikte mit anderen Schutzgebieten
Innerhalb der Vorranggebiete für Windenergie stehen andere Schutzinteressen wie Naturschutzgebiete, Landschaftsschutz oder Wasserschutz zurück. Nach § 249 BauGB hat die Windenergienutzung Vorrang vor diesen Belangen – eine Regelung, die rechtlich angreifbar ist, da sie keine ausgewogene Abwägung zwischen verschiedenen Interessen zulässt.
Fazit
Die geplanten Vorranggebiete für Windkraft stehen unter erheblichem rechtlichen Druck aufgrund möglicher Verstöße gegen nationale und europäische Normen des Naturschutzes und der Raumplanung. Eine umfassende Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Schutzbelange ist erforderlich, um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.